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Das historische Kalenderblatt - 18. März .3952 v.Chr. - Die Erschaffung der Welt

Das historische Kalenderblatt - 18. März 3952 v. Chr.18. März 3952 v.Chr. -
Die Erschaffung der Welt

Am 18. März 3952 vor Christus soll die Welt geschaffen worden sein. Dies entspricht im biblischen Schöpfungsmythos aus dem 1. Buch Moses dem ersten Tag.

(Der folgende Text entspricht dem Hebräischen Original und umfasst die Verse 1-3 aus 1. Mose 1. Gelesen wird im Hebräischen von rechts nach links1)

בראשית ברא אלהים את השמים ואת הארץ׃
והארץ היתה תהו ובהו וחשך על־פני תהום ורוח אלהים מרחפת על־פני המים׃
ויאמר אלהים יהי אור ויהי־אור׃

Dieses Datum, der 18. März 3952 v. Chr., das im ersten Moment ausgesprochen willkürlich und entsprechend albern klingt, wurde von einem Mann festgelegt, der heute als einer der größten Gelehrten seiner Zeit gilt: Beda Venerabilis. Auf ihn berufen sich große Historiker ebenso wie unsere westliche Zeitrechnung, aber darüber später mehr.

Beda Venerabilis in einer historischen DarstellungBeda Venerabilis (Venerabilis bedeutet „der Ehrwürdige“), war ein englischer Mönch, Diakon, Priester und Gelehrter. Geboren ca. 671 in Northumberland, war er wohl von einfacher Abstammung. Nachdem Beda schon im Alter von sieben Jahren Mönch im Kloster von Weremouth in Northumberlad geworden war, wurde er Schüler des Abtes namens Benedikt Biscopius. Selbst ein hoch gebildeter Staatsmann, nahm dieser die Mönchskutte und gründete die beiden Klöster Weremouth und Jarrow in Northumberland. Er gilt als der „englische Benedikt“.

Beda erfuhr seine Schulbildung in der von Benedictus Biscopius in Weremouth gegrüdeten Schule, durch Benedictus selbst sowie von Ceolfried, einem Mönch des Klosters. Im Laufe der Zeit siedelte Beda nach Jarrow um, das ein Schwesterkloster von Weremouth war, und wurde dort zum Priester geweiht. Zu diesem Zeitpunkt war Ceolfried, der Mönch, der ihn damals in Weremouth erzogen hatten, Abt von Jarrow und nahm die Zeremonie vor.  

Mit 19 Jahren wurde er Diakon und wird von Kirchengeschichtlern und Historikern gleichermaßen als einer der größten Gelehrten seiner Zeit betrachtet. Beda schrieb eine Vielzahl historischer, wissenschaftlicher und theologischer Werke – darunter eben auch jenes, in dem die Berechnung zur Erschaffung der Welt angestellt wird. Bis heute gelten seine Schriften als elementare Basiswerke zur englischen Frühgeschichte, so zum Beispiel sein Buch „Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum“ (Kirchengeschichte des englischen Volkes) aus dem Jahre 731.

Schon zu seinen Lebzeiten gelangte Beda zu nicht unerheblichem Ruhm. Obwohl er sein Lebensumfeld der beiden Klöster und der Region Northumbria mit großer Wahrscheinlichkeit nie verlassen hat, stand er mit einer großen Zahl an Menschen überall im Land in Briefkontakt, darunter Gelehrte in anderen Klöstern und am Hofe.

Im 12. Jahrhundert schrieb ein englischer Historiker über Beda:

During his lifetime this Beda lay hidden within a remote corner of the world,
but after his death his writings gave him a living reputation over every portion of the
globe.2


Sein Werk über die englische Geschichte beginnt (in der englischen Übersetzung) im Buch 1 mit der „Situation von Britain und Irland, und ihren historischen Bewohner“:

Originalseite aus einer Ausgabe der Geschichte EnglandsCHAPTER I - OF THE SITUATION OF BRITAIN AND IRELAND,
AND OF THEIR ANCIENT INHABITANTS
3
 
BRITAIN, an island in the ocean, formerly called Albion, is situated between the north and west, facing, though at a considerable distance, the coasts of Germany, France, and Spain, which form the greatest part of Europe.
 
It extends 800 miles in length towards the north, and is 200 miles in breadth, except where several promontories extend further in breadth, by which its compass is made to be 3675 miles. To the south, as you pass along the nearest shore of the Belgic Gaul, the first place in Britain which opens to the eye is the city of Rutubi Portus, by the English corrupted into Reptacestir.
 
The distance from hence across the sea to Gessoriacum,the nearest shore of the Morini, is fifty miles, or as some writers say, 450 furlongs.
 
On the back of the island, where it opens upon the boundless ocean, it has the islands called Orcades. Britain excels for grain and trees,and is well adapted for feeding cattle and beasts of burden.
It also produces vines in some places,and has plenty of land and waterfowls of several sorts; it is remarkable also for rivers abounding in fish, and plentiful springs. It has the greatest plenty of salmon and eels; seals are also frequently taken, and dolphins, as also whales; besides many sorts of shellfish, such as muscles, in which are often found excellent pearls of all colours, red, purple, violet, and green, but mostly white.
 
There is also a great abundance of cockles, of which the scarlet dye is made;
a most beautiful colour, which never fades with the heat of the sun or the washing of the rain; but the older it is, the more beautiful it becomes.
 
It has both salt and hot springs, and from them flow rivers which furnish hot baths, proper for all ages and sexes, and arranged according.
For water, as St. Basil says, receives the heating quality, when it runs along certain metals, and becomes not only hot but scalding.
 
Britain has also many veins of metals, as copper, iron, lead, and silver; it has much and excellent jet, which is black and sparkling, glittering at the fire, and when heated, drives away serpents; being warmed with rubbing, it holds fast whatever is applied to it, like amber.
 
The island was formerly embellished with twentyeight noble cities, besides innumerable castles, which were all strongly secured with walls, towers, gates, and locks.

Aufgrund seiner zweifelsohne hohen Intelligenz, Bildung und Weisheit, wäre Beda unter anderen Umständen für ein hohes Amt in der Hierarchie seines Klosters (oder auch darüber hinaus) in Frage gekommen. Seine niedere Geburt war es wohl, die dies verhinderte. Für die Geschichte ist dies ein Glücksfall, denn so hatte Beda die Möglichkeit, sich auf seine Schreib- und Lehrtätigkeit zu konzentrieren. Seine Schriften sind bis heute jene Dokumente, auf denen sich das Bewusstsein der Englischen Geschichte im Beginn der Geschichtsschreibung gründet. 

Beda hatte eine große Bibliothek zu seiner Verfügung, die unter den Bischöfen Wearmouth-Jarrow angeschafft worden waren. Man vermutet, dass es rund 300 bis 500 Bücher waren, die aus der Bibliothek eine der größten der ganzen Insel machten.

Wie es zu den Berechnungen Bedas kam, hängt vermutlich mit einer Auseinandersetzung innerhalb der katholischen Kirche zusammen, in der es um die Frage ging, wie man das (bekannterweise bewegliche) Osterfest bestimmen konnte.

Als Tag der Auferstehung Jesu war (und ist) Ostern das wichtigste christliche Fest, und entsprechend wichtig war es für die Kirche, diesen Termin zu bestimmen. Im frühen dritten Jahrhundert gab es bereits Sextus Julius Africanus, der eine Berechnung zu finden versuchte.

Neben dem Osterfest gab es noch zwei weitere entscheidende Zeitpunkte, die für die Christen der frühen Kirche wichtig waren: Die Schöpfung der Welt und das vermutliche Ende der Welt. Die Erwartung eines nahen Weltenendes war ein wichtiges Kennzeichen der Christen jener Epochen.

Um die Festlegung der Ostertage zu erleichtern, gab es schon zu frühchristlichen Zeiten sogenannte Ostertafeln, mit denen man sich das Berechnen der Zeit des Festes (Computus) erleichtern wollte (Anmerkung: Computus bezeichnete eigentlich erst einmal das „Rechnen mit der Zeit“, daraus entwickelte sich die Bedeutung der Berechnung des Osterfestes).

Bedas Osterberechnung bildete die Basis für alle mittelalterlichen Berechnungen des Osterfestes, ebenso verbreitete sich durch ihn die Orientierung zeitlicher Geschehnisse an der Geburt Jesu.

Basis der Berechnungen, die Beda ebenso wie Dionysisus oder Sextus Julius Africanus anstellten, fußten auf christlich-biblischen Vorgaben, die den Schöpfungsbericht und einen Psalmvers miteinander in Verbindung setzte, in dem steht, dass vor Gott tausend Jahre wären wie ein Tag. Man nahm entsprechend der Schöpfungsphase von sechs Tagen an, dass eine „Weltenwoche“ also nur 6.000 Jahre sein könnte. Ebenso setzte man die Person Jesu (sozusagen als „Adam des neuen Bundes“) in Beziehung zu dem „alten Adam“ des Alten Testamentes, und bekam so einen weiteren Bezugsrahmen für die Festlegung von Daten.

Grundlage für die Berechnung war die im vierten Jahrhundert (vgl. den Codex Sinaiticus) verbreitete Septuaginta. Man rechnete aus, dass bis zur Geburt Jesu in etwa eine „Weltära“ mit einer Dauer von knapp 5.200 Jahren vergangen sei. Beda errechnete eine andere Zahl, nämlich genau jenen 18. März 3952 v.Chr.

Bedas Berechnungen sind in dem Werk DE SEX AETATIBUS MUNDI dargestellt, das mit folgenden Worten beginnt:

 DE SEX AETATIBUS MUNDI 4
1 A principio mundi usque ad diluvium anni îîccxlii.
a diluvio usque ad Abraham anni dccccxlii.
ab Abraham usque ad Moysen anni dcxl.
a Moyse usque ad David anni d.
2 a David usque Nabuchodonosor anni sunt dlxviiii.
ab Adam usque transmigrationem Babyloniae anni sunt îîîîdccclxxviiii.
3 a transmigratione Babyloniae usque ad Christum dlxvi.
ab Adam vero usque ad passionem Christi anni sunt vccxxviii.
4 a passione autem Christi peracti sunt anni dcclxxxxvi
ab incarnatione autem eius anni sunt dcccxxxi.


Wie man vielleicht auch ohne Lateinkenntnisse erraten kann, beginnt Beda in seiner Rechnung mit der Zeit von der Schöpfung der Welt bis Abraham, von da aus zu Mose, dann zu David und Nebukadnezar, sowie schließlich von der Babylonischen Gefangenschaft hin zur Geburt Jesu, seiner Kreuzigung und Auferstehung.

Beda Venerabilis in einer historischen Abbildung Dies soll hier einmal als Erklärung genügen. Wer detaillierter in die Geschichte der Computistik einsteigen will, dem sei das Buch „Geschichtszeit: über Zeitvorstellungen in den Universalchroniken Frutolfs von Michelsberg, Honorius' Augustodunensis und Ottos von Freising“ empfohlen, aus dem die letzten beiden Absätze inhaltlich entlehnt sind.

Gemeinsam mit Dionysius ist Beda eine jener Personen, auf deren Werken die Berechnung der westlichen Welt nach der Geburt Jesu beruht. Sie waren die Ersten, die sich in ihren Büchern darauf beriefen. Es dauerte jedoch noch lange, bis sie sich durchsetzte, und die Herrscher aufhörten, Zeitalter nach ihrer Regentschaft zu berechnen.

Beda Venerabilis wird in den verschiedenen Schriften über sein Leben als ein sehr demütiger Mann beschrieben, der keinerlei Interesse an einer klerikalen Karriere, an Bedeutung oder Ruhm gehabt zu haben schien. Aus verschiedenen Zeiten existieren Beschreibungen von verschiedenen Epochen seines Lebens, darunter eine sehr berührende Erzählung über seinen Tod. In welchem Maß diese in das Reich wohlwollender „Anpassung“ zu rechnen sind, ist unklar und bleibt – wie so vieles aus dieser Zeit – der persönlichen Meinung vorbehalten.

Von Beda sind etwa 40 Schriften überliefert, die teilweise zusammenhängend aufgefunden wurden, dann als einzelne Teile weiter geführt wurden. Bekannt ist eine Übersetzung des Werkes „Historia ecclesiastica gentis Anglorum“ durch Alfred den Großen, König von England und „Bezwinger“ der Wikinger, im 9. Jahrhundert. Dieses Werk wurde aufgrund seiner Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte immer wieder übersetzt, besonders bekannt ist eine Übersetzung aus 1565. 1475 taucht das Geschichtsbuch (das übrigens auf fünf Einzelbänden besteht) erstmals als lateinischer Text in Deutschland auf. Aus Köln sind Drucke von seinem Werk aus den Jahren 1688 bekannt.

Vor allem die beiden Bücher „De temporibus liber“ und „De temporum ratione“, beide sind Chronologien und enthalten Zusammenstellungen der Weltgeschichte von der Schöpfung bis ins Jahr 725 und 703, wurden schon im Mittelalter häufig zitiert, übersetzt und als Grundlagentexte genannt.

Beda Venerabilis, ein "kleiner", politisch eigentlich unbedeutender Mönch, der mit großer Wahrscheinlichkeit nie in seinem Leben die Gegend Northumberland verlassen hat, wurde durch seine Hingabe an Lehre, Studium und Wissen einer der entscheidenden Gelehrten und Autoren seiner Zeit, der bin in unsere Zeit hinein die westliche Welt prägt - wenn Bedas Berechnung des Schöpfungsdatums der Welt uns "modernen" Menschen auch lächerlich erscheinen mögen ... 
 
 
Quellen und Zitate:

1 http://www.bibleserver.com/index.php

2 Anon., Simeon’s History of the Church in Durham, trans. J. Stephenson (repr. Lampeter, 1993)

3 Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum - Zitat aus der Originalschrift, nach: http://www.fordham.edu 

4 De Sex Aetatibus Mundi  - Zitat aus der Originalschrift, nach: http://www.intratext.com

Christoph Auffarth, Religiöser Pluralismus im Mittelalter?: Besichtigung einer Epoche der europäischen Religionsgeschichte, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2007
 
hervorragend zu Beda ist folgendes: Masterarbeit von Verity L. Allan, Theological Works of the Venerable Bede and their Literary and Manuscript Presentation, ith Special Reference to the Gospel Homilies, http://bjh21.me.uk/junk/vthesis.pdf
 
Biographisches zu Beda: Ecclesiastical History of the English People, St Cross College, Oxford

Wer tiefer in die Computistik einsteigen will, dem sei das Buch „Geschichtszeit: über Zeitvorstellungen in den Universalchroniken Frutolfs von Michelsberg, Honorius' Augustodunensis und Ottos von Freising“ empfohlen, aus dem die letzten beiden Absätze inhaltlich entlehnt sind.

Von Fabian Schwarzbauer, Akademie Verlag, 2005

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