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Mein Nachbar, der Vampyr - Die Reihe »Vampire unter uns!« von Mark Benecke et al.: Prolog

Vampire unter unsMein Nachbar, der Vampyr
Die Reihe »Vampire unter uns!« von Mark Benecke et al.

0.    Prolog
Vampire sind unter uns – Das behauptet zumindest Mark Benecke, der an gleich drei Büchern zu dem Thema mitgewirkt hat. Dabei ist er eine medial durchaus umtriebige Persönlichkeit. Wer ab und an einmal die auf Dokumentationen spezialisierten Sender schaut, wird ihn vielleicht auf Phoenix bemerkt haben, wie er sich auf die Jagd nach den Gebeinen Adolf Hitlers gemacht hat.


Vampire unter uns 1Aber der ist ja zum Glück nicht mehr unter uns (oder habe ich etwas verpasst?)! Aber Blutsauger? Ich meine Blutsauger, die nicht irgendwie mit der Börse und Hedgefonds in Kontakt stehen, oder in den Discotheken reihenweise Eroberungen machen. Kann man davon ausgehen, daß der gute Graf Dracula mit dem Handy am Ohr auf der A 7 geblitzt wird, und auf dem Foto nur ein leeres Auto mit schwebendem Taschentelefon zu sehen ist? Macht Lord Varney im Internet Lord Ruthven Glauben, er wäre eine frühreife Vierzehnjährige mit Vorliebe für SM- Spiele? Sollten wir stets darauf gefaßt sein, daß sich einer der Passanten, die uns nachts über den Weg laufen, unverhofft in eine Fledermaus verwandelt?

Manch ein historisch versierter Leser wird sich vielleicht daran erinnern, dass Vampire keine Erfindung Hollywoods oder der Schauerliteratur sind. Berichte aus dem 16. und 17. Jahrhundert aus dem Südosten Europas erzählen uns von Epidemien, die ganze Dörfer heimgesucht haben sollen. Von Toten, die aus den Gräbern heimkehrten, um die Lebenden zu infizieren. Dass diese Form des Aberglaubens durchaus keine Angelegenheit vergangener Jahrhunderte ist, zeigt Herr Benecke an einem Beispiel aus dem Jahre 2003, als im rumänischen Dorf Marstinul de Sus Zeugenaussagen laut wurden, der verstorbene Lehrer Petre Toma sei als Strigoi, eine Art geisterhafter Vampir (auch „Hexe“, abgeleitet von dem römischen Wort Strix für „Eule“ und „Kinder ausweidender Vogeldämon“), aus dem Grab zurückgekehrt (Als ich selbst noch Schüler gewesen bin, wären mir zum Thema „Lehrer und Vampire“ gewiß ein paar böse Kommentare eingefallen). In der Familie Marinescu, der er erschienen sein soll, erkrankten alle Mitglieder. Bei ihr war wie bei vielen anderen Rumänen das Wissen, wie man Moroi („Untote“) bekämpft, von Generation zu Generation weitergegeben worden. So zog der Vater mit fünf teils entfernten Verwandten (die wohl noch gesund waren) los, um den Pädagogen zu exhumieren. Da dies alles im Winter geschah, war der Leichnam noch gut erhalten. Allerdings war sein Mund blutverschmiert, und er stöhnte, als man ihm an einem Kreuzweg (Symbol des Kruzifix) den Brustkorb mit der Sense öffnete. Das Herz wurde entnommen, verbrannt und die Asche in Wasser gelöst. Den Erkrankten, die davon tranken, soll es schlagartig besser gegangen sein (oder wollten sie nur nicht nochmal daran nippen müssen?). Angeblich soll dies auch funktionieren, wenn der Leidende gar nicht weiß, was er da zu sich nimmt.

Die Tochter des Paukers freilich, die in der Stadt lebte, war mit diesem Treiben der Dörfler ganz und gar nicht einverstanden. So kam es – im Gegensatz zu einigen anderen Vorfällen dieser Art – zu einer Anzeige wegen Störung der Totenruhe, und zu sechs Verurteilungen.

Die Motive der zurückkehrenden Untoten müssen in solchen Situationen allerdings nicht immer nur dämonischer oder böser Natur sein: Benecke erwähnt auch einen ebenfalls aus jüngster Vergangenheit stammenden Fall, wo ein kleiner Junge seine Eltern und Geschwister so sehr geliebt haben soll, daß er sie zu sich ins Grab holen wollte (Hallo, Heike!).

Aber sein wir mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal davon gehört, daß Ihr Nachbar abends mit seinem Schwager losgezogen ist, um einen Vampir zu töten (und die beiden dann nicht stattdessen im Puff gelandet sind)? Der Glaube an die Untoten mag in einigen abgelegenen Ortschaften Rumäniens noch ein Thema sein. So wurde während der Sonnenfinsternis 1999 im Fernsehen berichtet, dort wäre man überzeugt, die Spitzzähne hätten die astronomische Konstellation hervorgerufen, um ein paar Minuten am Tag für die Jagd zu haben (Welch ein Aufwand für so einen geringen Nutzen!). Hier in Mitteleuropa jedoch, wo wir es schon lange gewohnt sind, die Nacht zum Tag zu machen, sind sie zu Märchengestalten aus den Kinos geworden, nicht realer als Darth Vader oder Gimli, der Zwerg. Was also veranlaßt Herrn Benecke zu der Behauptung, sie wären unter uns (und nicht etwa grün-gelb-karierte Kobolde)?

Gleich am Anfang eines seiner Beiträge behauptet er:

„Vampire gibt es. Sie sind lebendig, sehen nicht schlecht aus und denken öfters an Blut und Hälse“ (In dem Fall dürfte das ausgestorbene Reptil Tanystropheus unter ihnen einige Freunde haben). Es gäbe verschiedene Typen, die aber durch eine Gemeinsamkeit verbunden wären: „Es fehlt ihnen Energie. Und die müssen sie sich holen.“

Sie sind „lebendig“? Das klingt aber nicht nach den altvertrauten Schrecken der Nacht, die erst einmal sterben müssen, um als dämonische Kreaturen wieder aufzuerstehen. Die sich in Fledermäuse verwandeln und Hollywoods Maskenbildner ihr Einkommen sichern! Und tatsächlich meint er sie auch nicht. Ihm geht es um eine Subkultur ganz gewöhnlicher Sterblicher (Na ja, sie sollen „nicht schlecht“ aussehen; das erinnert mich an ein Zitat der Bloodhound Gang:

„I wish I was queer, so I could get chicks… [but] I'm too ugly.“).

Ihre Besonderheit ist, daß sie sich mit dem Mythos der Spitzzähne identifizieren.

Daß Herr Benecke die Szene durchaus fasziniert, ist dem Fotoprospekt zu entnehmen, das der Buchbestellung beigelegt gewesen ist. Darin posiert er mit Fangzähnen und zwei Gothic- Bräuten wie für ein Innencover der Band Illuminate (mit deren Sänger Johannes Berthold ich mich im Internet vermutlich schon mal gezofft habe, deren Musik ich aber trotzdem mag). Auch die Widmung, die er mir freundlicherweise auf die erste (leere) Seite geschrieben hat, ist mit einer Art Smiley mit spitzen Zähnen versehen. Tatsächlich ist der Kriminalbiologe, der unter anderem auch als Landesvorsitzender der Satire- Partei Die Partei in Nordrhein- Westfalen fungiert, nebst anderen Dingen der Leiter der deutschsprachigen Abteilung der Transsylvanian Society of Dracula. Na, dann!

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