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Poirot auf der Leinwand: Mord und Schnee- Agatha Christies Schienen-Drama

Poirot auf der LeinwandMord und Schnee
Agatha Christies Schienen-Drama

Insgesamt gab es vier Hercule Poirot-Fälle die für das Kino verfilmt wurden. Das waren "Die Morde des Herrn ABC" (1965) mit Tony Randall  als belgischer Meisterdetektiv. 1974 folgte dann "Mord im Orient-Express" wo Albert Finney für seien Darstellung als Poirot für den Oscar nominiert wurde. 1978 folgte "Tod auf dem Nil" wo zum ersten Mal Peter Ustinov in der Rolle des Meisterdetektiven zu sehen war.


Ein weiteres Mal schlüpfte er 1982 in "Das Böse unter der Sonne" in diese Rolle. Ustinov tat dies auch noch in drei Fernsehfilmen, die nicht Thema meiner kleinen Artikelreihe sein sollen. Auch den ersten Film mit Randall, sowie den letzten mit Ustinov (nämlich "Rendevouz mit einer Leiche") von 1988 will ich zunächst ausklammern.

Mord im Orient ExpressDie drei Filme, die nun übrig sind will ich etwas näher betrachten. Alle drei durfte ich mehrmals schauen. Sei es im Fernsehen bei zig Wiederholungen oder auf Video oder Streaming. "Mord im Orient-Express" habe ich ganz früh gesehen. Ich war vielleicht 12 Jahre als meine Nachbarin mich anrief. Es war vormittags. Im TV würde jetzt ein guter film laufen, und wenn ich Lust hätte, könnte ich mit schauen. Sie wußte damals, dass ich ein besonderes Gespür für den Mörder hatte und ihn immer erraten konnte. Sie wettete nun, das mir dies bei "Mord im Orient-Express" nicht gelingen würde. Ich ging die Wette ein und verlor. Aber das ist ein anderes Thema. Und das war 1982. Der Film war seinerzeit zwar schon 8 Jahre alt, lief aber im Vormittagsprogramm. Später sah ich den Streifen öfters. Öfter als oft. Am meisten gefiel mir an diesem Film Albert Finney als Hercule Poroit. Einen besseren Darsteller für die Rolle des belgischen Meisterdetektiv hätte man schwerlich finden können. Auch die Kostüme des Films waren genial. Ausgezeichnet war noch mehr, doch zu den Auszeichnungen komme ich am Ende des Artikels. Ich halte den Film für die beste Umsetzung eines Agatha Christie-Stoffs. 

Im Schlafwagen nach Calais wird der reiche Mr. Ratchett ermordet. Noch am Tag zuvor hat er Poirot um Leibwache gebeten, da er befürchtete, dass ihn jemand ans Leder will. Poirot lehnte ab. Der war gerade von Jordanien aus (wo er einen Fall löste) auf den Weg nach London. Insofern war seine Anwesenheit zwar zufällig aber gut erklärt. Einen Umstand, den man in den Filmen "Tod auf dem Nil" und "Das Böse unter der Sonne" vermisst. Dort war Poirot nur ein einfacher Reisender wie alle anderen. Die Reise beginnt für Poirot in Jordanien und geht über Istanbul und dann über den Balkan nach Mitteleuropa. Poirot übernimmt auf Bitten seines Freundes Bianchi, einem Direktor der Eisenbahngesellschaft die Ermittlungen als der Zug im Schnee stecken bleibt und man auf das Freimachen der Strecke warten muss. So stößt er auf einen Jahre alten Entführungsfall. Das Baby der Familie Armstrong wurde entführt und getötet. Ratchett galt als Täter, wurde jedoch nie zur Rechenschaft gezogen. Die damaligen Verwandten und Freunde der Familie Armstrong sind alle an Bord des Orient-Expresses. Aus diesem Grund mangelt es nicht an Motiven für den Mord. Doch wer war der Täter? 

Entgegen Christies sonstigen Gewohnheiten gibt es in diesem Fall nur einen Toten. Offenbar verzichtete sie aufgrund der dramatischen Vorgeschichte auf weitere Leichen.

Poirot zählt bei dem Toten 12 Messerstiche und reimt sich daraufhin alles zusammen. Ungewöhnlich ist, das der Mord an Ratchett nicht gesühnt wird. Damit hat Agatha Christie erstmals einen offenen Fall für den Meisterdetektiven geschaffen. Aber da die Rache der Reisenden aufgrund der Schandtaten Ratchetts motiviert war, sollten sie davon kommen. Als offiziellen Täter präsentierte man einen Unbekannten aus Ratchetts Gangsterumfeld.

Die Umsetzung
Auf Humor wird auch in der Poirot-Verfilmung nicht verzichtet, obwohl es von drei Genannten noch die ernstere Verfilmung ist. Und das obwohl der bekannte Running-Gag mit den Aussagen der Verdächtigen, die Poirot als französischen Schnüffler bezeichnen und in dessen Folge sich Poirot brüskiert, das er doch bitte schön ein belgischer Schnüffler ist, schon hier Anwendung findet.

Oh Wunder auch, das ausgerechnet "Mord im Orient-Express" der atmosphärisch dichteste Film ist. Und  das obwohl es fast ein reiner Atelier-Film ist. Die Szenen im Zug entstanden im Studio. Die Außenaufnahmen auf der freien Strecke und am Bosporus wurden separat gedreht. Die Szene im Bahnhof von Belgrad entstand im Bahnhof von Paris. 

Bei "Mord im Orient-Express" spielt sich fast alles in dem Zug ab und hätte ebenso gut im Theater spielen können wie auch "Tod auf dem Nil", wo alles auf einem Schiff spielt. Nur wenige Szenen wurden außerhalb gedreht. Bei "Das Böse unter der Sonne" ist eine Insel der Ort des Mordes. Hier gibt es noch die Besonderheit, dass es keine anderen Szenen außerhalb dieser Insel gibt. 

Hintergrund
Agatha Christie lies sich beim schreiben ihres Romans vom Fall der Lindbergh-Entführung inspirieren. Das Kleinkind des Flieger-Pioniers wurde damals auch ermordet. Ein Dienstmädchen welches fälschlicherweise der Komplizenschaft verdächtigt wurde, beging Selbstmord. Auch diesen Fakt baute Christie in ihrem Roman ein, der 1934 erschien. Da war der Lindbergh-Fall noch unaufgeklärt. Später wurde ein Mann namens Bruno Hauptmann angeklagt, verurteilt und hingerichtet. An seiner Schuld gab es erhebliche Zweifel. Dieser reale Hintergrund ist bemerkenswert und für Christie-Geschichten eigentlich unüblich.  Aber dieser Umstand verleiht dem Gesamtwerk einen Hauch Authentizität und macht den Film zusätzlich noch ernsthafter und atmosphärisch dichter als etwa die späteren Ustinov-Filme.

Der Regisseur ist ein Meister des Thrillers
Sidney Lumet drehte viele bekannte Filme. Unzählige Male war er für den Oscar nominiert und erhielt ihn schließlich als Ehrenpreis für sein Lebenswerk im Jahre 2005. Filme wie "Serpico" und "Die 12 Geschworenen" waren von ihm. 

Darsteller allesamt bekannte Größen
Keiner der drei Christie-Filme dieser Artikelreihe war so hochkarätig besetzt wie Lumets "Mord im Orient-Express". Albert Finney war ein gefragter Charakter-Darsteller und wollte sicher nicht mehr als einmal den Poirot spielen. Festlegungen lagen ihm nicht. Er spielte u.a in "Wolfen" (1981) und "Griff aus dem Dunkeln" aber auch in jüngeren bekannten Streifen wie dem James Bond-Film "Skyfall" oder "Erin Brokovic". Bei seiner Poirot-Darstellung war er 38 Jahre jung und verkörperte eine Figur, die wesentlich älter ist. Und das glaubhaft. Man verlieh ihm eine einzigartige Maske. Als Opfer, welches eigentlich auch ein Täter ist, fungiert Western-Darsteller Richard Widmark. Als er diesen Krimi drehte, hatte er die beste Zeit seiner Karriere bereits hinter sich. Dennoch weiß er zu überzeugen. Ebenso wie Sean Connery, der erst drei Jahre zuvor seinen vorerst letzten Bond "Diamantenfieber" abgeliefert hatte. Als Freund Poirots sieht man Martin Balsam in der Rolle des Mr. Bianchi. Er drehte schon für Hitchcock ("Psycho") und ist ebenso wie Lauren Bacall (hier als Mrs. Hubbert) schon ein Altstar Hollywoods. Das gilt ebenso für Ingrid Bergmann, die zuerst jedoch für die Rolle der Prinzessin Dragomirov vorgesehen war, dann jedoch ihren Willen durchsetzte und die Figur des schwedischen Kindermädchens Greta Ohlsen spielen durfte. Lumet gab hier nach langen Zögern nach und billigte Ihr den Part, der ihr schließlich den Oscar einbrachte.

Anthony Perkins, damals auf dem Höhepunkt seines Erfolges spielte ebenfalls einen Verdächtigen. Ihm gleich tat es der damals nicht minder erfolgreiche Michael York. Die Liste setzt sich fort mit Vanessa Redgrave, John Gielgud, Rachel Roberts, Colin Blakely und Wendy Hiller, die letztlich die Prinzessin spielte. Jean-Pierre Cassel war als französischer Topstar zu Gast im Orient-Express und Jaqueline Bisset spielte eine weitere Verdächtige.

Abschließendes
Der Film wurde für sechs Oscars nominiert. Eine gab es für Albert Finney als männliche Hauptrolle. Das er ihn nicht bekam ist schon fast eine Schande. Eine weitere gab es für Ingrid Bergmann (weibliche Hauptrolle). Sie erhielt die begehrte Trophäe dann auch. Weitere Nominierungen gab es für die Musik, das Drehbuch, die Kamera und die Kostüme.

In der deutschen Synchronisation lieh Claus Biederstedt Mr. Finney seine Stimme. Er sprach später auch den Columbo. Die großartige Gisela Trowe gab Wendy Hiller ihre Stimme und Sean Connery wurde von Gert-Günther Hoffmann (Captain Kirk) synchronisiert.

Kommentare  

#1 AARN MUNRO 2016-04-25 09:59
Guter Artikel. Stimme fast allen Aussagen zu...bitte kleinen Druck/Tipp/Schreibfehler korrigieren: Colombo ist die Hauptstadt von Sri Lanka...der Typ im Schmuddelregenmantel hieß "Columbo... :-)
#2 Günther Drach 2016-04-25 14:04
Ein wirklich sehenswerter Film. Ich gehe völlig konform mit deiner Meinung: auch für mich die beste Christie-Umsetzung.

Ähm, was du vielleicht auch noch korrigieren solltest: der "Alphabet Murders"-Poirot wurde von Tony Randall (u.a. der Felix Unger aus Odd Couple/Männerwirtschaft) gespielt, nicht Randell.
#3 G. Walt 2016-04-25 15:08
zitiere AARN MUNRO:
Guter Artikel. Stimme fast allen Aussagen zu...bitte kleinen Druck/Tipp/Schreibfehler korrigieren: Colombo ist die Hauptstadt von Sri Lanka...der Typ im Schmuddelregenmantel hieß "Columbo... :-)



jaja :-x
#4 G. Walt 2016-04-25 19:05
Danke für den Hinweis @Günther Drach und auch @AARN MUNRO. Der Fehlerteufel schlägt hier immer im Detail zu, da meistens die Zeit für eine intensive Korrekturlesung zu kurz ist. Uns fehlt ein guter Schlussredakteur. Aber wenn die Leser dies übernehmen ist es so auch okay.
#5 Toni 2016-04-25 21:17
Schöner Artikel.
Trotz aller Korrekturlesungen schleichen sich auch bei mir immer wieder etliche Fehler ein. So peinlich wie am Anfang ist mir das ganze aber nicht mehr. Man gewöhnt sich daran und das wichtigste ist ja eh der Inhalt des Artikels. Ich lasse mich auch gerne verbessern...

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