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Vom Grund des »Misthaufens« - Jerry Cotton zum 3000.

1Vom Grund des »Misthaufens«
Jerry Cotton zum 3000.

Der geneigte Leser wird sich über den Titel dieses Artikels wundern, der ja zu Ehren des 3000. Bandes der »Jerry Cotton«-Serie ist. Der Grund ist eine Äußerung von Dennis Scheck im Büchermarkt im DLF. Er sagte:

»Der größte literarische Misthaufen (…) ist wahrscheinlich doch der Bastei Lübbe Verlag.«

 

Good Bye New YorkUnd der »G-man Jerry Cotton« hat nun mal mit seinem Erfolg die Grundlage für den Misthaufen Bastei Lübbe gelegt ... Mit dieser Serie wurde der Grundstein gelegt, dass Bastei wuchs und wuchs und der »Misthaufen Bastei Lübbe« zum »größten literarischen Misthaufen« heranwachsen konnte. Ja, werter Herr Scheck, da ist die Wurzel des Übels. Deutschlands bekanntester FBI-Agent ...

Als 1954 der »Bastei Kriminal-Roman« Nummer 68 »Ich suchte den Gangster-Chef«
erschien, konnte niemand ahnen, dass damit eine Erfolgsgeschichte angeleiert wurde, die nun seit 60 Jahren anhält. Der geistige Vater des FBI-Agenten ist Delfried Kaufmann kam aus der Waschmittelbranche und daher hat Jerry dann auch seinen Nachnamen Baumwolle - Cotton -, denn Waschmittel hat es mit diesem Stoff oft zu tun.

Good Bye New YorkBereits 1956 erschien dann die Nummer 1 der eigenen Heftserie. Der »G-man Jerry Cotton« war geboren und heute erscheint offiziell das 3000. Heft. Aber zwischen 1956 und 2014 war es eine Erfolgsstory. In den Sechziger Jahren erreichte die ›Cotton-Mania‹ ihren Höhepunkt und bis heute hält sich Cotton auf hohem Niveau.

Es gab Leihbücher (deren Zeit eigentlich schon vorbei war, aber das Verhältnis war gekippt. Früher wurden Leihbücher im Heft nachgedruckt. Mit Cotton begann sich das umzukehren), Cotton-Romane in Schokoladentafeln  und die acht Filme mit George Nader als Jerry Cotton und Heinz Weiss. Cotton war eine der deutschen Marken in der Unterhaltung ...

Good Bye New YorkHorst Hübner war zu Beginn der Sechziger Jahre im Western-Lektorat bei Bastei angestellt und eines Tages, so erzählte er gerne, hatte Gustav H. Lübbe, der Verleger seine Lektoren frühmorgens in den Außeneinsatz befohlen. Der Bastei-Verleger wollte eine Art Feldforschung betreiben und wissen wer den die Romane seines Hauses und natürlich auch den Cotton so las.

Good Bye New YorkHorst Hübner beobachtete also einen gesetandenen Herren in Geschäftsanzug, Hut, Mantel und Schirm, der sich sein Handelsblatt und den Jerry Cotton kaufte. Nachdem er bezahlt hatte, wickelte der Geschäftsmann seinen Cotton ins Handelsblatt.

Als Horst Hübner ihn ansprach, ob der den Cotton regelmäßig kaufe, stritt der Geschäftsmann ab, Cotton zu lesen. Das sei Schundliteratur wurde Horst Hübner beschieden. Sowas lese ein Mann in seiner Position nicht. So war das eben. Cotton wurde unter dem Schreibtisch gelesen.

Good Bye New YorkNun gut, dem alten Lübbe dürfte es egal gewesen sein, ob Cotton als Schund galt oder ob sich seine Leser quasi schämten den Konsum von Deutschlands bekanntesten FBI-Agenten zuzugeben, denn die Abenteuer des G-man liefen wie geschnitten Brot. In diesen Romanen wurde natürlich ein Amerika-Bild vermittelt, dass zum einen den damaligen FBI-›Herrscher‹ J. Edagr Hoover gefallen hätte, zum anderen war Cotton aber auch ein Abbild amerikanischer Krimis und eigenen Erlebens der beteiligten Autoren, die in den Anfangsjahren auch noch im 2. Weltkriefg gekämpft haben. Wie das so aussah, das schilderte der aktuelle Cotton-Redakteur Dr. Florian Marzin kurz und knapp im Zauberspiegel-Interview:

In den 50ern und frühen 60ern Jahren bestand das typische Jerry-Cotton-Frühstück aus 3 Spiegeleiern und 2 Scotch, danach eine Zigarette. Am Abend unternahm man dann auch mal mit minderjährigen Mädchen (jede Frau, die nicht verheiratet war, wurde damals - auch im Alter von 30 Jahren – als Mädchen bezeichnet) einen Streifzug durch die Bars, die Namen wie Zum Kutscher oder Zum fröhlichen Seemann trugen und in denen Männer am Tisch saßen, die Skat spielten. Auseinandersetzungen mit Gangstern wurden auch mal mit Maschinengewehren und Handgranaten geführt. Menschen mit dunkler Hautpigmentierung waren nicht nur Neger, sondern häufig auch Nigger.

Good Bye New YorkDer Erfolg der Cotton-Serie zog auch eine Reihe weiterer Krimi-Serien nach sich. Kommissar X, Franco Solo, Jeff Conter und andere mehr machten sich daran das Erfolgsmuster mehr oder weniger akribisch zu kopieren, aber auf lange Sicht mussten alle Konkurrenten die Segel streichen. Am längsten hielt noch Kommissar X mit, der es auf 1740 Hefte, 445 Taschenbücher, 7 Filme und 92 Leihbücher (Nachdrucke) brachte. Aber 1992 wurde Jo Walker aka Kommissar X in den Ruhestand versetzt, sprich eingestellt. Jerry Cotton läuft hingegen ungebrochen.

Good Bye New YorkGut, auch der G-man musste Federn lassen. Das liegt im allgemeinen Trend des Heftromans, aber die drei immer noch laufenden Auflagen (und die vor ein paar Jahren digital gestartete Serie Cotton reloaded, die Jerry Cotton in die Moderne holt, ihm einen farbigen Chef und eine weibliche Kollegin verpasst und 9/11 als Origin nimmt) sind das letzte Überbleibsel des einstmals stolzen Krimiprogramms im Heftroman.

Dem Erfolg der Heftserie konnte noch nicht einmal der Film »Jerry Cotton« (2010) mit Christian Tramitz und Christian Ulmen anhaben. Nichts spricht gegen eine Verfilmung als Action-Komödie oder Buddy-Movie, aber was da abgeliefert wurde war alberner Mist. Da stimmte so gut wie nichts (und da haben wir noch nicht einmal die Serie im Blick). Rein vom filmischen her war das schon eine Katastrophe. Es sagt schon viel, dass der Verlag kein Buch zum Film gemacht hat.

Jerry Cotton wird, so denke ich, wie auch Perry Rhodan das Ende des Heftromans überleben. Dabei ist Jerry Cotton doch eher das Modell eines Heftromanhelden. Er ist eher schwammig gezeichnet, hat kaum Ecken und Kanten und ist eher der Typ Schwiegermutterliebling denn ein Womanizer wie James Bond. Und doch hat er nun seit mittlerweile 60 Jahren und 3000 Romane der eigenen Serie Leser geradezu begeistert. Aber da er ein Musterbeispiel von Held ist, wird es wohl noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis es den Autoren erlaubt wird, die dunklen Seiten des G-man auszuloten. Bis dahin muss er als Gefäß für die Identifikation mit dem Leser dienen, der die Abenteuer miterlebt. Da hat Cotton wirklich Vorbildliches geleistet.

Good Bye New YorkDer Verfasser dieser Zeilen hat - obwohl kein regelmäßiger Konsument der Serie - hat Hunderte von Romanen aus allen Epochen der Serie gelesen. Kaum konnte er lesen, gehörte auch Jerry Cotton zu seiner Lektüre. Es hat ein paar Jahre und einige Reportagen von Hanns Jocahim Friedrichs, Kronzucker und Peter von Zahn, sowie diver Auslandsjournals und die Watergate Affäre gebraucht, um das durch Jerry Cotton in seinem gesetzte Amerika-Bild zu korrigieren. Aber dann hat er Cotton als das genommen was er ist. Spannende Unterhaltung und keine zeitgeschichtliche Unterrichtsstunde.

Nun heißt es für Jerry Cotton »Goodbye New York!«. Dieser Roman ist durchaus spannend (eine ausführliche Betrachtung gibt es an Heiligabend von Heiko Langhans, wo er dann auch schon mal auf den Inhalt eingehen kann, ohne dass man Spoileralarm schlagen muss). Für mich war es erfrischend festzustellen, dass der Autor dabei in eine Falle ging. Man unterhält sich über die Ränge im FBI  und Cotton wird gesagt, ob er wisse wie die Hierarchie im FBI ist. Ein Fallstrick, denn natürlich muss Cotton wissen wie die Hierarchie in der Behörde ist. Aber dem Leser muss es vermittelt werden, aber diese Plauderei über Selbstverständlichkeiten ist da immer ein gern genommene Falle.

Dennoch habe ich mich vom 3000. Roman der Jerry Cotton-Serie bestens unterhaltend gefühlt. Jerry Cotton wird nach so vielen Abenteuern in New York ein neues Spielfeld eröffnet. In New York dürfte es kein Haus geben, dass er nicht schon mal observiert oder durchsucht hätte. Nun hat er den Osten der USA als Spielfläche.

Ich bin gespannt, wohin sich die Serie noch entwickeln wird. man wird sehen. Jetzt hat Jerry Cotton erstmal eine neue Wohnung bezogen und muss sich in ein größeres Einsatzgebiet einarbeiten ...

1Und das kommt dabei heraus ...
Wenn man zu früh triumphiert kommt der Marzin mit der Keule. Ich hatte geglaubt dem Lektor eins reindrücken zu können, in dem ich - offensichtlich voreilig - feststellte, dass er dem in die Falle gegangenen Autor nicht half ...

Aber Pustekuchen. Aber lest selbst:

Deine Autorenschelte bezüglich der Hierarchien beim FBI ist leider nicht zutreffend. Der Dialog lautet:

„Jerry, Phil, sind Sie mit der Hierarchie des FBI vertraut?“ War das eine Feststellung oder eine Frage und wenn ja, erwartete unser Chef eine Antwort? Phil und ich nickten langsam. „Vielleicht nicht in allen Einzelheiten“, räumte ich ein.


Bei einer so großen Institution wie dem FBI kann man als Agent nicht mit allen Feinheiten der Hierarchien besonders wenn es um das Hauptquartier in Washington geht vertraut sein, mein lieber Horst. Übers Ziel hinausgeschossen!

Kommentare  

#1 Helmut.A 2014-12-17 18:17
Auflagezahlen von Jerry Cotton
Am 16.12.wurde im ZDF Nachtjournal, nach Mitternacht, ein Bericht über 60 Jahre Jerry Cotton der eine Länge von 2,25 Minuten hatte ausgestrahlt. .
Daraus folgende Info:
Sprecher 40.ooo Hefte werden pro Woche verkauft. 850 Millionen Hefte sind verkauft.
Vorstands Vorsitzender Thomas Schierack von Bastei sagte u.a wörtlich: „ Es werden wöchentlich 30-40.ooo Hefte verkauft“.

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