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40 Jahre Tatort-Haferkamps Fälle:Fortuna III

40 Jahre Tatort (und mehr)FORTUNA III

Paul Starczik, 12 Jahre alt, treibt sich herum, stiehlt, schwänzt die Schule. Sein Vater, der Platzwart bei einem Betriebssportverein ist, möchte ihn in ein Erziehungsheim stecken. Nur Jul, der Besitzer der kleinen Likörfabrik, hält zu Paul, er würde ihn sogar nach der Schulzeit in die Lehre nehmen. Paul versteckt sich oft, wenn er mit seinem Vater Krach hat, auf dem Gelände einer verlassenen Zeche. Von seinem Versteck aus beobachtet er eines Tages, wie Jul ein Mädchen zu vergewaltigen versucht und es dabei tötet. Jul nimmt Paul das Versprechen ab, keinem Menschen etwas zu sagen. Paul geht darauf ein.

Haferkamp und der ungezogene Paul Kommissar Haferkamp merkt sehr bald, dass mit Paul etwas nicht stimmt. Er spürt, dass er nur über ihn an die Lösung des Falles kommt. Der Junge aber ist verschlossen, geradezu feindselig.
Paul beginnt seine Macht über Jul zu spüren, er erpresst ihn: er verlangt zweitausend Mark, damit er mit einem Schiff ins Ausland fliehen kann. Jul sieht sich immer stärker in die Enge getrieben, er weiß schließlich keinen anderen Ausweg: er muss Paul umbringen. Die Vorbereitungen zu dieser Tat aber geben Kommissar Haferkamp die Möglichkeit, an Jul heranzukommen...

Vorliegenden Fall kann man als ganz großen Klassiker bezeichnen, der sich geradezu typisch in die Haferkamp-Ära einreiht. Der Mord an dem Mädchen (Evelyn Palek) wird dabei schnell zur Nebensache, da sich der ganze Film nur um den Jungen dreht. Dies tut jedoch dem Wert dieses alten Krimis keine Minderwertikeit zu.
Paul beobachtet de Mord. Jul ist betrunken und will unbedingt mit der Kellnerin schlafen. Er reißt ihr die Kleider von Leib. In typischer 70er-Maier hält die Kamera von Josef Vilsmeier hier nur kurz drauf, und zeigt somit nur für eine Sekunde etewas von Paleks Reizen. Dann schmeißt der aufgebrachte Jul sie zu Boden. Sie verletzt sich derart, dass sie stirbt.
Eindrucksvoll und zugleich nachfühlend wir beschrieben wie Paul mit seinem Gewissen kämpft. Er hat als Kind natürlich Angst einzugreifen und seinen alten Freund Jul will er nicht in Verlegenheit bringen. Dennoch weiß er plötzlich, dass er von Jul ab diesem Zeitpunkt alles haben kann. Nicht nur den Schutz vor seinem schlagenden Vater.
 
Haferkamp hat zunächst wenig Ansätze, wo er ermitteln kann. Als er im Polizeibericht liest, dass der Junge sich öfter am grubengelände aufhält und dort schon einige Male nachts aufgelesen wurde, kommt er ins Grübeln. Diese Tatsache, und das seltsame Verhalten des Jungen bringen Haferkamp auf den Gedanken, daß er etwas gesehen haben könnte. Doch statt einer Aussage erntet der Kommissar Schweigen, was ihn noch stutziger macht. Er bleibt an Paul dran. Was folgt mag auf den modernen Fernsehzuschauer befremdlich wirken. Paul bekommt von Haferkamp das Autofahren beigebracht und er bietet ihn Zigaretten an,die Paul bereitwillig zwischen seine Lippen presst. Das frühe 70er-Jahre-Bild der antiautoritären Erziehungsweise kommt in diesem TATORT sehr gut zur Geltung, und spiegelt interessanterweise einen sehr typischen Zeitgeist wieder. Eine Erziehung, indem Kinder auf Augenhöhe mit den Erwachsenen agieren dürfen - ganz frei von gesellschaftlichen Normen.

Für Haferkamp bleibt nur noch die Frage für wen Paul schweigt. Er würde es sicher nur für einen guten Freund tun. Und da ist Jul der Einzige, der in Frage kommt.
Daß Paul Jul am Ende erpresst bringt den Krimis dann nochmals in Fahrt und sorgt für einige Wendungen.
 
Gerd Böckmann, damals immer gern als Krimibösewicht genommen, spielt den Jul. Gracia-Maria Kaus war dank ihres Ehemannes Wolfgang Becker (Regie) häufiger in damaligen TATORTen und vor allem bei Haferkamp zu Gast. Die bekannte Hörspielstimme Ferdinand Dux ist hier in der Rolle des ganz und gar nicht antiautoritären Vaters zu sehen. Auch die Nebenrollen sind interessant besetzt. Henning Schlüter (Kösters Chef Millinger beim ALTEn) spielt einen schmierigen Frachter-Kapitän. Jürgen Schornagel tauchte in einem späteren WDR-TATORT unter Ballauf und Schenk auch mal als pschopathischer Mörder auf. Hier ist er ein Erzieher in einem Heim.
 
Hannes Burger lieferte die Vorlage zu dem Krimi. Bekannt wurde der Autor als Redenschreiber für den politisch-satirischen Nokherberg. Wolfgnag Mühlbauer setzte seine Geschichte TATORT-fähig um.
Zum ersten Mal muss Haferkamp in dieser Folge auf seine Frau Ingrid verzichten.

Kommissar Haferkamp - Hansjörg Felmy
Jul - Gerd Böckmann
Paul Starczik - Oliver Urlichs
Birgit Starczik - Gracia-Maria Kaus
Ellen Schelle - Evelyn Palek
Kreutzer - Willy Semmelrogge
Vater Starczik - Ferdinand Dux
Scheffner - Bernd Schäfer
Kapitän - Henning Schlüter
Erzieher - Jürgen Schornagel

Autor - Wolfgang Mühlbauer
nach - Hannes Burger
Regie - Wolfgang Becker

Erstsendung: 07.06.1976

 

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