Cassens, Ina-Marie - Der Fluch der Heilerin (Broschiert)

Cover - Der Fluch der Heilerin, I.-M. CassensDer Fluch der Heilerin
von Ina-Marie Cassens

erschienen: August 2008

445 Seiten, 7,95 Euro
ISBN: 978-3-486-63903-0

Droemer/Knaur

 

Wieder ein Roman mit Trota in der Mitte? Nein, das ist ja gar nicht so, auch wenn der Titel des Buches es im ersten Moment vermuten lassen mag, ähnelt er doch in Aufmachung wie auch im Titel dem ersten historischen Roman von Ina-Marie Cassens. Dies finde ich übrigens eine hervorragende Idee, die Person der Trota von Salerno nicht nochmals durch die Geschichte zu jagen.

 

Dieses Mal spielt die Geschichte im 14. Jahrhundert. Es beginnt in Alexandria mit einer Spitalschwester, die im Tross des zyprischen Königs Peter  (zur der Zeit auch "Titularkönig" von Jerusalem) vor den Toren der Stadt haust. Sie ist auf der Suche - nach einer Frau. Als Nachhut zieht sie in die bezwungene Stadt ein und erlebt hautnah das Grauen, das die "christlichen" Ritter und ihr Fußvolk veranstalten - natürlich alles im Namen Gottes.

Es ist ein bedrückendes Bild, das von dieser Zeit und ihrer Welt gezeichnet wird. In dem Grauen, das Heta sieht, erinnert es sehr an die ZDF-Dokumentation über den 30-jährigen Krieg und verdeutlicht wie weit entfernt romantisierende Historie von der damailigen Realität des Lebens war.

Dieser Kreuzzug gehört zur siebten Welle der Kreuzzüge und scheint vor allem durch wirtschaftliche Interessen befördert worden zu sen. 

Die Belohnung für die Ritter und ihr Heer ist wenig spirituell und drückt sich vor allem handfest und materiell aus. Nach den anderen Stadtteilen wird auch im christlichen Viertel gemordet und gebrandschatzt, die Ritter von König Peter machen auch vor einer christlichen Kirche nicht halt. Unter den Opfern ist auch ein Ritter des Deutschen Ordens:

Melissa spähte zum Kircheneingang, wo ein Ritter im weißen Mantel und mit erhobenem Schild auftauchte - ein weißer Schild mit schwarzem Kreuz. Er war verbeult,  und der Mantel des Ritters zerfetzt und blutig, trotzdem wirkte er irgendwie unüberwindlich.  (S. 17)

 

Melissa, die Tochter des Ritters, kann von Heta gerettet werden und begleitet die Schwester von da an auf ihrem Weg durch die mittelalterliche Welt. 

Knapp zehn Jahre später treffen wir wieder auf Heta und Melissa, dieses Mal in Montpellier, der Stadt in der Heta als Celleraria des örtlichen Spitals. Sie ist verantwortlich für die finanziellen Belange. 

Das Spital war um 1195 Ausgangspunkt für eine heilerische Bewegung in der katholischen Kirche gewesen. Durch seinen Gründer, Guido de Guillems, war das Heilig-Geist-Spitall gegründet geworden, entwickelte sich zu einem Spitalorden, dem auch Heta beigetreten war. 

Melissa lebt bei ihrer Ziehmutter, behütet und gut gebildet. Sie hat keine Erinnerung mehr an die Geschehnisse in der Kirche in Alexandria. Dies nimmt sie mit mal mehr mal weniger Akzeptanz hin und arrangiert sich mit ihrem Leben. Melissa entwickelt sich zur Hauptgestalt des Romans. Ihre scheinbar zukunftslose Liebe zu einem deutschen Ritter treibt sie um. 

Durch das Leben mit Heta hat Melissa einiges über das Heilen gelernt und setzt es immer wieder ein. In manchen der Szenen erinnert mich die Handlung sehr an den ersten Roman. Fast wirkt es als würden Versatzstücke umformuliert und erneut eingesetzt. 

Beeindruckend an dem Roman ist diese Mischung aus großer Nähe, die man durch die Erzählung zu den Hauptpersonen verspürt, und die gleichzeitig vorhandene Distanz, die dennoch erhalten bleibt. Wie dies zustande kommt ist mir noch nicht ganz klar, es scheint als würde man nur begrenzt in die Gedanken- und Gefühlswelt der Personen eintauchen, wahrscheinlich ist es dies.

Ein anderer möglicher Grund könnte sein, dass schreckliche Dinge geschehen (wie z.B. die Fastvergewaltigung) ... und danach... nix mehr. Es passiert, es geht vorüber, es scheint wie vergessen - in seiner Normalität des damaligen Lebens. Dies verdeutlicht die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung (unter der vor allem die niederen Stände) stehen, und läßt die agierenden Personen gleichzeitig fast maskenhaft erscheinen.

Gleichzeitig gibt es Situationen, die durch ihre sehr schöne Sprache und Beschreibung einfach hängen bleiben, wie zum Beispiel jene beim Tod Hetas:

Ihr Atem setzte aus. Schon im nächsten Moment hatte Melissa das Gefühl, als öffneten sie an Hetas Körper unsichtbare Türen, aus denen das Leben entströmte wie der Duft einer Blume im Wind. (S. 159)


Wir hatten das Buch als Vorabexemplar erhalten, und so konnte ich es bereits eine ganze Weile vor der Veröffentlichung fast direkt im Anschluss an den ersten Band lesen - so hat sich der Eindruck über das Buch etwas gesetzt. Beim Verfassen dieser Rezension erinnerte ich mich an den eigentümlich gefangen nehmenden Eindruck, den die Personen und ihr Erleben bei mir hinterlassen haben. 

Wie schon der erste Band besticht Ina-Marie Cassens durch einen tiefgehenden und gut recherchierten historischen Hintergrund. Sowohl in der "großen Geschichte" als auch den "kleinen Geschichten" wirkt alles authentisch und glaubhaft. Teilweise habe ich mich gefragt in welchem Maß der "kleine Mann" überhaupt über die ganzen Informationen verfügte, die in das Buch einfließen - notwendiger weise einfließen, denn der Leser muss diese Dinge einordnen können.

Ich bin ebenfalls wieder auf ein Dilemma der historischen Romane über Frauen gestoßen: Melissa ist mächtig viel unterwegs, wird wie ein Windhund bei einem Rennen durch das mittelalterliche Europa (und Außereuropa) gejagt. Um Spannung zu erreichen und ausreichend Handlung "unterzubringen" scheint mir dies fast unvermeidlich, es sorgte bei mir allerdings dafür, dass ich an verschiedenen Stellen kopfschüttelnd überlegte, ob ich den Handlungsfaden in dieser Art überhaupt für realistisch halten konnte.


Quellen:

http://www.orden-online.de/

Klöster in Bayern : Eichstätt, Hlg. Geist, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst / Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg

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