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...Pierre Sanoussi-Bliss über Betriebsklima, junge Alte und kleine Flecken auf reinem Weiss

1... Pierre Sanoussi-Bliss ...
... über Betriebsklima, junge Alte
und kleine Flecken auf reinem Weiss

Pierre Sanoussi-Bliss (52) gehörte 18 Jahre lang zum Team des ALTEN im ZDF. 1997 löste er Charles M. Huber ab, der auf eigenen Wunsch gegangen war. Als Kriminalkommissar Axel Richter unterstütze er fortan Michael Ande als Heymann und Rolf Schimpf als Kress. Als Kress in Pension ging musste man sich an einen neuen Chef gewöhnen.


Walter Kreye übernahm die Rolle und mittlerweile ist Jan-Gregor Kremp der ALTE.

2010 gab es eine weitere Änderung.

Susanne Porsche übernahm von Helmuth Ringelmann die Produktion der Serie. Im Spätsommer 2014 wurden die Serienfiguren Richter und Riedmann aus den Drehbüchern heruasgeschrieben. Nach Aussagen des Senders sollen jünge Kollegen nachrücken. Eine Kündigung lässt nach 18 Jahren niemanden kalt. Herr Bliss äußerte sich auf YouTube und war so nett dem Zauberspiegel ein Interview zu geben.


Zauberspiegel: Steht hinter der Entscheidung das Team von DER ALTE teilweise auszutauschen das ZDF oder die Produktionsfirma?
Pierre Sanoussi-Bliss: Das ist eine Entscheidung des ZDF, soviel ich weiss. Alle verstecken sich doch heute gern hinter dem Begriff "der Sender". Aber irgendwem muss der Mist ja früh beim Zähneputzen eingefallen sein. Ich denke nur nicht, dass ich das jemals herausfinden werde. Die übernehmen alle nur ungern Verantwortung für etwas. Wenns schiefgeht rollt kein Kopf und man geht zur Tagesordnung über. Und ich denke, viele ProduzentInnen haben heute viel zu viel Angst etwas selbst zu entscheiden. Die reichen durch, was die Sender vorgeben, aus Angst, sonst den Auftrag zu verlieren.

Zauberspiegel: Wie darf sich der Laie das vorstellen. Die Serie DER ALTE wird im Auftrag des ZDF von der Produktionsfirma Neue Münchner Fernsehproduktion produziert. Sind die Schauspieler der Serie bei dieser Produktionsfirma oder beim ZDF unter Vertrag?
Pierre Sanoussi-Bliss: Wir Schauspieler sind eigentlich bei der Produktion unter Vertrag. Allerdings ist diese natürlich weisungsgebunden, da sie im Auftrag des Senders produziert. Die Produktion kann sich also schlecht gegen Senderentscheidungen wehren, ausser man hat, wie Helmut Ringelmann damals, einen Arsch in der Hose und glaubt an sein Produkt.

Zauberspiegel: Vermuten Sie, daß es unter Helmut Ringelmann nicht dazu gekommen wäre? Ich habe mit vielen Kollegen von Ihnen gesprochen und alle bezeichneten Herrn Ringelmann als sehr treue Seele.
Pierre Sanoussi-Bliss: Unter Ringelmann wäre das keinesfalls passiert. Warum auch? Es gibt keinen Grund, ein Gewinnerteam, welches in 107 Ländern läuft und über das sich niemand beschwert hat, auseinander zu reissen. Coca-Cola ändert seine Rezeptur ja auch nicht.

Zauberspiegel: Es wundert, dass zwei Schauspieler einer so beliebten Krimi-Serie von heute auf morgen gekündigt werden können. Müssen keine vertraglichen Kündigungsfristen eingehalten werden?
Pierre Sanoussi-Bliss: Wir Schauspieler haben weniger Rechte, als man für gemeinhin denkt.

Zauberspiegel: Was glauben Sie ist wirklich der Grund für den Austausch der Darsteller? Verjüngungswahn allein, halte ich für einen fadenscheinigen Grund. Schauen Sie. es gibt Kollegen von Ihnen im TATORT, die auch schon älter sind und die man nicht austauscht; z.B. die Herren Wachtveitl und Nemec, die Frau Folkerts und der Herr Milberg....?
Pierre Sanoussi-Bliss: Ich hab keine Ahnung, was in dem-, bzw derjenigen vorging, oder welche Tagesform dafür verantwortlich war auf so eine Idee zu kommen. Es hat ja alles bestens funktioniert mit unserem Team. Vielleicht ist das blinder Aktionismus von Redakteuren, oder anderen Senderverantwortlichen, um zu zeigen, dass man "wichtig" ist. Ich wundere mich nur, dass dann niemand einfach nur einen Vogel zeigt und die Sache vom Tisch ist. "Der Alte" war immer das gesamte Team. Der Fall spielte bei uns die Hauptrolle und nicht wir Kommissare. Und dass drei von uns fast gleichalt waren, hat das Publikum zumindest die letzten knapp 4 Jahre nicht gejuckt. Aber das Publikum wird heutzutage eh nicht mehr gefragt. Sonst wär das nicht passiert. Die Leute, die sich bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! beschwert haben, bekamen alle die gleiche, schwammige Antwort. Da saß ein Praktikant im Keller der Lerchenberg-Trutzburg in Mainz und hat copy&paste gespielt...

Zauberspiegel: Den Alten gibt es seit 37 Jahren. Genauso lange ist Michael Ande im Team. Wenn man verjüngen wollte, dann müsste man doch ihn zuerst austauschen. Warum tastet  man Herrn Ande nicht an?
Pierre Sanoussi-Bliss: Erstens steht Michi zu Recht unter Artenschutz, und zweitens wünsche ich ihm, dass er es so lange spielen kann, wie er Lust hat.

Zauberspiegel: Herr Ande könnte ja mittlerweile selbst DER ALTE sein. War es mal im Gespräch ihm den Chefposten zu geben, oder sind Sie nicht soweit in die Planungen eingeweiht?
Pierre Sanoussi-Bliss: Wir sind bei allem aussen vor. Das kann sich immer kaum jemand vorstellen, aber Mitspracherecht haben die wenigsten Schauspieler, deren Familienname nicht auf erres, erch oder iefers endet. Ich glaube aber, Michi hätte keinen Bock gehabt. Ausserdem ist es Film und nicht die Realität. Er hätte nicht zwangsläufig nachrücken müssen.

Zauberspiegel: Wie war das Abeiten mit Herrn Ringelmann und wie war es mit Frau Porsche. Änderte sich der Wind, der Stil und die Bedingungen?
Pierre Sanoussi-Bliss: Ringelmann war toll. Er liebte dieses Geschäft und seine Schauspieler. Und zwar bis in die kleinsten Nebenrollen. Er las die Bücher, hatte Set-Erfahrung und man konnte ihn bei allen Problemen kontaktieren... Inzwischen ist eine Generation am Ruder, für die teilweise "Betriebsklima" etwas ist, was aus der Klimaanlage kommt.

Zauberspiegel: Vor einigen Jahren fielen schon einmal ein paar Schauspieler den Verjüngungen zum Opfer. Ich denke nur an Hartmut Schreier aus "SOKO 5113" oder Klaus Pönitz in "Wolfs Revier". Haben Sie das verfolgt?
Pierre Sanoussi-Bliss: Sowas nimmt man als Kollege natürlich zur Kenntnis. Zumal ich den Schreier mag und kenne. Aber wer redet schon öffentlich über die Hintergründe? Und wenn ein Kollege solche Entscheidungen akzeptiert, dann bohre ich nicht nach. Dass wir alle nicht unersetzbar sind, dass wusste und weiss ich ja auch. Lebe nicht in einem luftleeren Raum und habe genügend Kollegen um mich herum, denen es weitaus schlechter geht, als mir. Allerdings tröstet mich das Unglück anderer nicht.

Zauberspiegel: Wie empfanden Sie den "Rauswurf" von Walter Kreye?
Pierre Sanoussi-Bliss: Das war eine völlig andere Baustelle. Er hatte Krebs und keiner, inklusive ihm, wusste, ob er das überlebt. Das hat er glücklicherweise, aber wie lange soll ein Team von 40 Leuten warten? Außerdem hätte es sicher keinen Arzt gegeben, der ihn für eine durchgehende Hauptrolle über das Jahr versichert hätte. Solche Fragen spielen bei der Entscheidungsfindung auch eine Rolle.

Zauberspiegel: Wie sehen Sie nun ihre schauspielerische Zukunft? DER ALTE hat sie über 18 Jahre beschäftigt. Ist es da nicht schwer jetzt irgendwo anders neu anzuknüpfen?
Pierre Sanoussi-Bliss: Ich habe das Glück, mich nicht darüber zu definieren, wie oft mein Gesicht im Fernseher zu sehen ist. Ausserdem habe ich während dieser Zeit in einigen anderen Filmen mitgespielt, wenn es zeitlich möglich war. "Der Alte" hatte ja Priorität und viel anderes war kaum möglich. Aber ich schreibe ja auch Bücher und drehe, nach "Zurück auf Los!", demnächst meinen 2. abendfüllenden Spielfilm "Weiber", für den ich auch das Drehbuch schrieb und für den ich grad voll in den Vorbereitungen stecke. Kann man alles gut auf der Facebook-Seite "Weiber - Schwestern teilen. Alles." verfolgen. Ausserdem schreibe ich mit einer tollen Autorin an meiner Biografie. Das letzte Kapitel wird spannend. Ich lebe es ja grade. Und dann bin ich auch ab und zu froh, mal ein paar Tage überhaupt nicht an den Job zu denken. Ich sitze jedenfalls nicht auf dem Sofa, denke den ganzen Tag an das ZDF und Susanne Porsche und nehme übel. Es gibt ja noch ein Leben vor dem Tode...

Zauberspiegel: Haben Sie in 18 Jahren nicht einmal selbst mit dem Gedanken gespielt aufzuhören?
Pierre Sanoussi-Bliss: Wir haben uns echt geliebt im Team. Es war ein klasse arbeiten mit diesen wunderbaren Leuten. Es hat ja auch alles äusserst erfolgreich funktioniert und das Publikum mochte unsere Truppe. Ich wäre in absehbarer Zeit nicht auf die Idee gekommen, da auszusteigen. Ausserdem sind meine Chancen, gute, normale Rollen zu bekommen auf dem deutschen Markt sehr, sehr dürftig, obwohl ich 18 Jahre beim "Alten" eine Rolle spielte, die auch ein Weisser hätte spielen können. Weil die Hautfarbe überhaupt keine Rolle spielt. Das haben viele Fernsehmacher aber leider nicht gemerkt. Ich habe in den gesamten 18 Jahren auch nicht ein einziges anderes Angebot von einem öffentlich-rechtlichen Sender bekommen. Da sitzen immer noch die Leute mit den dicksten Brettern vorm Kopf. "Zu alt, zu schwarz, zu klein, zu blond, zu dick, zu gross..." Denen sind Fähigkeiten und das Leben da draußen völlig wurscht. Schauen Sie sich unser Fernsehen an. Wie mit Persil gewaschen. Reinweiss, mit einem kleinen Fleck hier und da. Einer der Flecken ist jetzt weg.

Zauberspiegel: Kein Fleck, eher ein sehr bereichernder Farbtupfer. Danke für das Interview.



Kommentare  

#1 Martina Lenzen 2015-07-25 12:04
Dass Menschen im Beruf einfach weggeflext werden, gestrichen, ist eine üble Sache. Und das Lohndumping gibt es ja wohl auch im Schauspielgewerbe, was heißt, dass auf viele die Altersarmut wartet, während einige wenige Stars, die man dann rund um die Uhr sieht, sobald man den Fernseher anmacht, sich gewinnorientiert mit der Wirtschaft verbinden. Sehr amerikanisch der Weg und man sollte wachsam sein.
Den "Alten" habe ich mir als Ältere immer gerne angesehen - eben mit den alten Stars. Jetzt ist es eine andere Sendung. Die mag nicht schlecht werden, aber es ist eben nicht mehr meine.
Dass Menschen immer mehr zum Zubehör werden in ihren Berufen, ihren Firmen, das ist sehr traurig.
Und niemand übernimmt die Verantwortung. Macht will man, aber nicht für etwas und zu jemandem stehen.
"Wer weiß, wofür es gut ist." Ein guter Spruch.
Und in Krisen merkt man ja, wer zu einem steht.
Alles Gute Herrn Sanoussi - Bliss.
Eher zufällig habe ich das Video gesehen und es hat mich auch berührt: ein Mensch, der Rollen spielt, aber keine Maske trägt.

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