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#34 Redakteusenschicksal

As Time Goes By# 34: Redakteusen-Schicksal

Der Zauberspiegel war Norberts und mein Kind. Wir haben es gemeinsam aufgezogen, aber nach der Nummer 6 (der letzten Nummer des HFC Söhne der Zauberer) zog sich Norbert aus der anstrengenden Herausgeberschaft zurück. Es war 1984 auf dem Marlostreffen auf Burg Frankenstein (bei Darmstadt). Er wollte nur noch Artikel über den Film schreiben und hier und da Dieses und Jenes machen. Aber trotz allem war er immer eine Stütze. Und in der Tat wirkte das befreiend auf ihn, denn er schrieb was das Zeug hielt. Dabei war schon immer das Abseitige sein Revier. Mainstream kann jeder, dem außergewöhnlichen, seltsamen und nicht alltäglichen setzt er nach. Das macht ihn auch für den Zauberspiegel so interessant.

1985/86 (die Nrn. 7-12 des Zauberspiegel) waren gute Jahre für das Magazin und ich stellte fest, dass ich einen für das Horrorfandom außergewöhnlichen Mitarbeiterstamm hatte, der bereit, willens und in der Lage war Beiträge zu liefern, die sowohl qualitativ als auch quantitativ im Horrorfandom führend waren. Der durchschnittliche Umfang eines Zauberspiegels verdoppelte sich nahezu (und mit der "verlorenen" Nummer 8 – eine weitere noch zu erzählende Geschichte – überschritten wir zum ersten Mal die 100 Seiten Grenze). Darauf konnte man stolz sein, zumal manche Seiten auf DinA3 geschrieben und zweimal herunterkopiert wurden (was dann zwar schwer zu lesen war, aber die Seitenzahlen stiegen nicht ins Unermessliche und das Zine blieb finanzierbar).

Die Grenzen der Heftklammer wurden erreicht. Entweder fand ich einen preiswerten Drucker, der lumbacken konnte, oder aber es mussten Schwestermagazine her, auf die der Inhalt dann aufgeteilt wurde. Ich entschied mich für den Weg der Schwestermagazine. Aus der Konkursmasse des HFC Pendragon (des Feuerriegel-Nachfolgeclubs) konnte ich Lutz Bolte und Volker Sorge überreden, die Zauberschrift zu betreuen, wie das erste der Schwestermagazine betitelt war. Ein drittes war nicht geplant, bis …

Zu der Zeit war ich Urinkellner, sprich Zivi, im Krankenhaus Elmshorn. Dort lernte ich Petra Köhpcke kennen, die dort eine ABM-Stelle ausfüllte. Sie las ebenso wie ich unter anderem Horrorheftromane. Man kam ins Gespräch, ging ins Kino und schloss Freundschaft. Eines Tages drückte ich ihr mal die bis dahin erschienen Zauberspiegel (mein ganzer Stolz) in die Hand. Kurz darauf waren wir in einem Eiscafe verabredet. Arglos fragte ich Petra, was sie denn vom inhaltlich führenden Zine des Horrorfandoms hielte.

Ich war auf jeden Lobgesang vorbereitet, war bereit, mein Haupt demütig zu neigen und die Anerkennung mit Norbert und den anderen zu teilen, wie ich es schon so oft getan hat. Denn wir waren im Horrorfandom wirklich führend. Ja, wir waren die besten, die genialsten, die Jungens, die Maßstäbe setzten (nicht nur Rezensionen waren nachgeahmt worden) und den anderen die Wege wiesen, hatten richtungsweisende Artikel(serien) und sorgten immer wieder für kontroverse Diskussionen. Wir berichteten über und kommentierten das (Horror-)Fandom. Norbert und ich hatten das Zine der Clubleiter gegründet. Der Zauberspiegel war die Nummer Eins, Nummero Uno, der Big Shot, das heißeste Eisen.

Kurzum: Wie waren die Größten!!!! Soviel stand fest und war nicht diskutierbar. Das Horrorfandom erstarrte in Ehrfurcht. Wohlwollende Leserbriefe diverser Autoren bestätigten uns in dieser Einstellung.

Mit diesem Wissen, erwartete ich nun die übliche Lobhudelei, die da kommen mochte. Dann konnte ich von unseren einmaligen Plänen berichten, um Petra in Ehrfurcht erstarren zu lassen. Danach konnten wir uns dann wieder Eis und Cappucino zuwenden.

Im nächsten Moment aber gefror mein erwartungsvolles Lächeln (hatte ich erwähnt, Petra noch nicht lange gekannt zu haben). "Popelig" seien die Magazine, wurde mir offenbart und das Blut in meinen Adern wurde zu Eiswasser. Das hatte ich noch nie gehört, aber innerlich stellte ich auf "Aufnahme" und beschloss ihr zuzuhören (denn wenn man predigt, bei Kritiken aufzumerken und Lob als nett aber nicht fördernd zu begreifen, dann war Petras Äußerung ein Weckruf, den man nicht überhören durfte. Insbesondere wenn man seine Predigten ernst nahm).

Und was da alles fehlte, wie sie feststellte. Das Ganze wäre zwar nett und auch im Laufe der Zeit besser geworden, aber im Großen und Ganzen sei es eben "popelig" und das würde es bleiben, wenn wir Macher des Zauberspiegel uns nicht anstrengten. Gut, ihr fehlten die Vergleiche zum gammeligen Rest des Fandoms. Aber mich interessierte es nicht, besser zu sein, als der Rest im Horrorfandom (dieses Ziel hatten wir schon mit den "popeligen" Ausgaben erreicht, ohne dabei in Schweiß auszubrechen, die rechte Hand auf den Rücken gefesselt, wenn man so will). Ich wollte aber einen besseren Zauberspiegel und bald auch eine bessere Zauberschrift. Wir wollten irgendwann mit den etablierten Zines aus dem SF- und Fantasyfandom in den Ring steigen und uns mit denen messen, nur dass wir ein breiteres Spektrum abdeckten (wer jetzt Parallelen zum Geisterspiegel sieht, der erkennt, dass ich das Ziel nicht aus den Augen verloren habe und wieder daran arbeite).

Aber ich hatte zugehört. Das tue ich nicht immer, aber doch gelegentlich, insbesondere wenns wichtig wird. Und meine Rache für die vernichtende Kritik folgte auf dem Fuß. Ich schleuderte ihr nicht etwa mein Eis und meinen Cappucino ins Gesicht, sondern verpflichtete sie noch im Eiscafé als Redakteurin des dritten Magazins, des Zauberstern. Nur ein paar Wochen später konstruierten wir den zweiten Zyklus des Manonreiters (der Fantasyfortsetzungsgeschichte), während Petra "Die Tochter der Flamme" (ein Spinoff des Manonreiters verfassen sollte). Sie konzipierte ihre Rubriken und Beiträge und betrieb dazu aufwendige Recherchen.

Insgesamt machte Petra zehn Zaubersterne, schrieb Artikel, verfasste Geschichte, rezensierte und war eine der wichtigsten Stützen des Teams, zumal sie viele ungewöhnliche Inhalte einbrachte. Aber eine Konstante hält sich nunmehr 20 Jahre. Egal was ich tue, es ist "Popelig!". Doch daran habe ich mich gewöhnt und es beeindruckt mich nicht sonderlich. Aber man sollte ihr immer zuhören, selbst wenn manches nicht umsetzbar ist, so ist ihre Meinung dennoch stets willkommen.

Hier die Moral von der Geschicht: So geht man mit Kritikern um. Man bindet sie ein und lässt sie für sich arbeiten … 

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